Frau Michalke, als Sie 2019 im Erzbistum Paderborn als Bildungsreferentin angefangen haben, hätten Sie damals gedacht, dass Sie zwei Jahre später vorwiegend Online-Seminare konzipieren werden?
Ich konnte mir vor zwei Jahren zwar bereits vorstellen, dass digitale Bildungsangebote zukünftig gefragt sein werden und einen notwendigen Schritt hinsichtlich der Weiterentwicklung unserer Bildungsarbeit darstellen, aber dass ich 2020/2021 fast ausschließlich Online-Seminare konzipieren werde, habe ich nicht erwartet. Ich muss allerdings sagen, dass ich die Entwicklung als sehr positiv bewerte. Trotz all der negativen Aspekte, welche die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat und weiterhin mit sich bringt, hat sie doch eines befördert: die digitale Bildungsarbeit. Ab Mitte März 2020 haben meine Kollegen und ich analoge Veranstaltungen in digitale Angebote umgewandelt, neue Online-Seminare konzipiert, unsere Website entsprechend weiterentwickelt, Videokonferenz-Tools erprobt und vieles mehr. Digitale Veranstaltungen werden nun sogar über das Weiterbildungsgesetz gefördert. Kontaktbeschränkungen und Lockdown haben die notwendige Entwicklung der digitalen Bildungsarbeit enorm beschleunigt. Unsere Online-Seminare werden daher sicher auch nach der Pandemie ein fester Bestandteil unseres Programmes sein. Dennoch sind wir uns im Team einig, dass Bildungsarbeit von der persönlichen Begegnung lebt und freuen uns schon jetzt darauf, wieder analoge Veranstaltungen anbieten zu können.
Können Sie beschreiben, wie sich die Konzipierung digitaler Veranstaltungen von der Entwicklung analoger Kurse zu Zeiten vor der Pandemie unterscheidet?
Erst einmal muss ich betonen, dass wir weiterhin einige wenige analoge Veranstaltungen entwickeln, allerdings für einen noch unbestimmten Zeitraum nach der Pandemie. Es ist uns sehr wichtig, dass diese Art der Bildungsarbeit langfristig bestehen bleibt. Digitale Veranstaltungen bringen viele Vorteile mit sich: Ortsunabhängigkeit, zum Teil zeitliche Flexibilität, keine Raum- und Verpflegungskosten usw. Doch einige Formate sind beispielsweise von dem vertrauensvollen, persönlichen Austausch geprägt, betreffen Glaubensfragen, Kirchenraumerkundungen, Museumsbesuche oder Konferenzen mit über 100 Teilnehmenden. Derartige Veranstaltungen lassen sich oft nicht optimal in den digitalen Raum übertragen – Zwischenmenschliches, gewisse Inhalte, Themen und Beobachtungen können nicht berücksichtigt werden.
Die wesentlichsten Punkte, welche die Planung digitaler Kurse von der Entwicklung analoger Veranstaltungen unterscheiden sind daher meiner Meinung nach: die Berücksichtigung interaktiver und zwischenmenschlicher Verluste im digitalen Raum, die Veränderung didaktischer Grundprinzipien beim digitalen Lehren und Lernen sowie technische Voraussetzungen/Bedingungen.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass digital nicht-affine Menschen oder Personen ohne entsprechende Endgeräte durch Online-Angebote auf der Strecke bleiben? Wie kann man dem entgegen wirken?
Ich schätze die technischen Voraussetzungen derzeit als größte Barriere ein. Denn wer kein entsprechendes Endgerät zur Verfügung hat, dem bleibt allein der Zugang zur digitalen Bildung verwehrt. Wir erleben im Kreise der Teilnehmenden jedoch viel gegenseitige Unterstützung: ältere Zielgruppen werden durch die Medien ihrer Kinder oder Enkelkinder unterstützt, einige Teilnehmende können sich Laptops oder Tablets ausleihen. Wir legen großen Wert darauf – trotz Lockdown und Homeoffice – erreichbar zu sein und informieren im persönlichen Beratungsgespräch gern über Wege und Möglichkeiten. Für die verschiedenen Konferenztools, Apps und e-learning-Portale haben wir entsprechende Leitfäden entwickelt, welche den Zugang zu unseren digitalen Angeboten erleichtern. Zudem bieten wir im Vorhinein der unterschiedlichen Veranstaltungen Technik-Checks an.
Insgesamt haben wir das Gefühl, dass inzwischen viele zunächst digital nicht-affine Menschen an unseren digitalen Bildungsangeboten teilnehmen und sehr glücklich darüber sind, trotz Kontaktbeschränkungen und Lockdown, virtuell mit Menschen in Kontakt treten zu können.
Wie stellen Sie sich die Bildungsarbeit nach der Corona-Pandemie vor? Glauben Sie, dass die Präsenzveranstaltungen deutlich zurückgehen werden?
Nein, das denke ich nicht. Die Rückmeldungen aus einzelnen Veranstaltungen zeigen, dass sich die Menschen nach Präsenzveranstaltungen sehnen. Ich vermute aber, dass der Anteil an digitalen Bildungsveranstaltungen hoch bleiben wird. Ich denke und hoffe, dass unser Programm zukünftig eine gute Mischung aus digitalen und analogen Angeboten darstellen wird. Denn so können wir die Vorteile beider Formate nutzen und zielgerichtet einsetzen. Kurzweilige Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen, Selbstlernformate oder Konferenzen mit Beteiligten aus verschiedenen Orten und Ländern können sehr gut digital durchgeführt werden. Viele spirituelle Angebote, Kirchenraumerkundungen, Kommunikations-Workshops oder Ähnliches entfalten erst in Präsenz, im direkten Kontakt und Austausch mit anderen Teilnehmenden, ihr Potenzial.