An den Wänden des Studios im Erdgeschoss der Katholischen Akademie Schwerte hängen vier bemalte Planen an den Wänden. In der Mitte jeder Plane ist jeweils ein großes Symbol zu sehen: der „Daumen hoch“ von Facebook, eine Leiter, eine Kerze und ein Smiley. Der Künstler Matvey Slavin malt archaische Motive oder Symbole aus den Sozialen Medien. Von Anfang Mai bis Ende Juli war er „Artist in Residence“ in der Katholischen Akademie. Drei Monate lang hat er an insgesamt etwa 50 Kunstwerken gearbeitet. Diese sind vom 2. September bis zum 28. Oktober in der Akademie zu sehen.
Sogar eine eigene Kunstrichtung hat Matvey Slavin mit seiner Freundin, der Künstlerin Nana Bastrup, entwickelt: Popdada. Popdada verbindet Elemente aus Popart und Dadaismus. Popart sei sehr stark inspiriert von der Werbewelt. Werbung spielt laut Slavin heutzutage eine große Rolle in der Kunst. Der Künstler sei öffentliche Person, müsse wie ein „Werbebanner“ ständig in Sozialen Medien präsent sein und sich bewerben, um in der Kunstwelt zu überleben. Slavin zufolge wird Kunst mehr und mehr kommerzialisiert. „Daran kommt man nicht vorbei als Künstler“, sagt er. „Entweder man macht mit oder man steigt aus.“
Matvey Slavin hat sich dazu entschieden, mitzumachen. Jedoch nicht, ohne mit seinen popdadaistischen Werken im Erbe des Dadaismus den kommerziellen Kunstbetrieb kritisch und ironisierend zum Thema zu machen. Er versucht, beim Betrachter Aufmerksamkeit zu erregen durch archaische Symbole oder Werbebilder. Die Gesellschaft sei abhängig von Sozialen Medien, von Likes, Smileys, Klicks. „Die Symbole drücken unseren Wunsch nach Vereinfachung und Komprimierung aus“, sagt er. „Wir wollen nichts Komplexes“. Zum einen sei es notwendig, Dinge zu vereinfachen und der Wunsch danach verständlich. Andererseits müsse man die damit einhergehende Banalität der Gesellschaft aufzeigen und kritisieren – das ist laut Slavin der Anspruch von Popdada.
„Nebenprodukt der Globalisierung“
Slavin beschäftigt besonders das Thema „Bildschirm“, egal ob Smartphone, Ipad oder Fernseher. „Was Medien mit uns machen finde ich wahnsinnig interessant“ sagt er. Künstlerisches Thema ist deshalb in seinen Werken immer die Parallelität zur Wirklichkeit: „Wir leben in parallelen Welten, nicht nur in einer einzigen, sind ständig woanders, abgelenkt; ob von der inneren Welt oder der virtuellen Welt.“ Manchmal erscheine die digitale Welt uns sogar realer als das, was wir mit unseren eigenen Augen sehen. Slavin will die Achtsamkeit stärken, jedoch ohne zu belehren: Er plädiert dafür, dass die Menschen wieder das Hier und Jetzt wahrnehmen: „So ist die Wirklichkeit, damit leben wir." Den Begriff „Kunst“ hält er für verbraucht. „Künstler“ will er sich nicht nennen. „Kunst ist für mich Philosophie“, sagt Slavin. „Ich bin ein Denker in Bildern.“ Popdada ist seine Weltanschauung. Darin liegt für ihn der notwendige Mehrwert der Kunst, einer Kunst, die nicht nur abbilden will, sondern etwas Neues erschaffen.
Slavins Bilder sind mehrsprachig, wie er selbst auch. Russisch, Dänisch und Deutsch spricht er fließend. Oft ist er umgezogen: „Ich lebe im Koffer.“ Er sagt von sich, mehrere Heimaten zu haben: in St. Petersburg, Russland, wo er geboren wurde. Dann Hamburg, Deutschland, wo er aufwuchs. Und schließlich Kopenhagen, Dänemark, neben Berlin seit 2015 sein Zuhause und Arbeitsort. Ich bin ein Nebenprodukt der Globalisierung“, sagt der 31-Jährige. Um an einem Ort anzukommen, Zugang und Zugehörigkeit zu finden, ging er stets raus, ließ sich treiben und zeichnete. „Man entdeckt, fängt Stimmung ein, wird von Leuten angesprochen und bekommt ein Gefühl dafür, was die Stadt ausmacht“, sagt er. Gleichzeitig habe er sich dabei die Identitätsfrage gestellt: Woher komme ich? Wohin gehe ich? „Dafür muss ich mich öffnen und das ist immer emotional“. Darin liegt für ihn die Verbindung zum Jahresthema 2018 der Akademie: emotion – was bewegt.
Kunst als Mittel der Sozialkritik
Seit er 16 ist, beschäftigt sich Matvey Slavin mit der sogenannten Pleinair-/Landschaftsmalerei. Doch als klassischen „Landschaftsmaler“ sieht er sich nicht. Kunst muss für ihn einen „Mehrwert“ haben, eine soziale Relevanz. Deshalb sei er nicht dabei stehen geblieben. „Ich bin faul geworden“, sagt er selbstironisch. Damit meint er, dass er nicht mehr den ganzen Tag bei Wind und Wetter draußen verbringt. Slavin versteht sich als „Image Hunter“ (Bildjäger) - so auch der Titel seiner Ausstellung. Mit dem Handy fotografiert er interessante Motive, legt ein Archiv an. Dann malt er im Atelier. Das gibt ihm mehr Freiheiten, zum Beispiel für monumental große Bilder, so dass der Betrachter „darin spazieren gehen kann“.
Reines Abmalen habe ihm nie gereicht. Er wollte etwas neues, anderes erschaffen. Deshalb begann er, schwarz-weiß zu malen. „Gott hat uns Augen gegeben, um Farben unterscheiden zu können“, sagte damals ein alter Kollege zu ihm. „Aber er hat uns auch Fantasie gegeben um neue Welten zu erschaffen“, erwiderte Slavin. Heute benutzt er beides in seinen Bildern: Farben für die Emotionen, schwarz-weiß für Reflektion, Nostalgie, Zeitlosigkeit. Schwarz-weiße Landschaften malt er, um Atmosphäre und Stimmung zu vermitteln, daneben als Kontrast konzeptuelle Ergänzungen und Sozialkritik. Obwohl er drinnen arbeitet, nimmt er äußere Einflüsse auf. Temperatur zum Beispiel habe eine emotionale Wirkung auf ihn. „Dieser heiße Sommer hat meine Bilder beeinflusst, deshalb sind viele Bilder so rot“, sagt Slavin und lacht.
Ein Motiv, das in Slavins Bildern häufig auftaucht, ist das der Mauer. Einerseits nimmt er damit Bezug auf die Architektur der Akademie. Andererseits übt er Gesellschaftskritik gegen den Wunsch und die Tendenz nach Abgrenzung, wie einige in der Gesellschaft sie gegen Flüchtlinge praktizieren. Das Problem liege dabei nicht nur in der großen Geo-Politik, so Slavin, Abgrenzung geschehe auch im Kleinen, zum Beispiel in der Nachbarschaft. Doch bei dieser Feststellung bleibt Matvey Slavin nicht stehen: Die Mauer wird auf seinen Bildern transparent, oder durchbrochen.
Text: Claudia Schwarz
Fotos: Nana Bastrup
Herzliche Einladung zur Ausstellungs-Eröffnung am 2. September um 16 Uhr in der Katholischen Akademie Schwerte!